Kooperationen beim Energiesparen Interview mit Ursel Weißleder: "Wir brauchen neue Wege fürs Handwerker-Contracting"

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Wie lässt sich schnell und effizient Energie sparen? Das Vorhaben der Bundesregierung, bis 2045 klimaneutral zu sein, birgt vor allem fürs Handwerk große Chancen. Ursel Weißleder, Senior Professional Energieeffiziente Gebäude bei der ‎Deutsche Energie-Agentur (dena), zeigt, welche bedeutende Rolle Handwerksbetriebe als Partner beim Energiespar-Contracting spielen.

Ursel Weißleder ist Senior Professional Energieeffiziente Gebäude bei der ?Deutsche Energie-Agentur (dena)
Ursel Weißleder ist Senior Professional Energieeffiziente Gebäude bei der ?Deutschen Energie-Agentur (dena). - © dena
Welche Chancen bietet Energie-Contracting dem Handwerk?

Ursel Weißleder: Contracting ist ein Zukunftsmarkt. Energiedienstleister – wie Energieberater, Contractoren, Auditoren – können dem Kunden die immer komplexer werdende Anlagentechnik gut vermitteln und auf Gebäude zugeschnittene, komplexe technische Lösungen planen, installieren und betreuen. Energieverbräuche müssen erhoben, überwacht und kontrolliert werden, um Einsparungen nicht nur planerisch, sondern auch messtechnisch nachzuweisen, auch um eine Einspargarantie zu gewährleisten. Hierbei kann auch das Handwerk eine große Rolle spielen, denn viele Gebäudeeigentümer können diese Aufgaben nicht selbst erbringen. Zwar steigen auch große Firmen wie beispielsweise Facility-Management-Unternehmen und Start-ups in diesen Bereich ein, dennoch gibt es viele Potenziale fürs Handwerk.

Welche Gewerke sind beim Energie-Contracting notwendig? Und welche neuen Handwerks-Berufe entstehen im Bereich Energie?

Beteiligt sind beim Contracting alle relevanten anlagentechnischen Gewerke wie SHK und Elektro. Die Umsetzung von Effizienzmaßnahmen bei großen Contracting-Projekten werden von lokalen Handwerksbetrieben durchgeführt, etwa wenn sich große Contracting-Firmen an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen. Bei größeren Ba umaßnahmen oder der gleichzeitigen Umsetzung von Brandschutzmaßnahmen oder solchen zur Barrierefreiheit, können auch die Bau- und Ausbau-Gewerke eine Rolle spielen. Neue Berufe entstehen nicht, es geht eher um Kooperationsmodelle, beispielsweise mit anderen Gewerken, Stadtwerken oder Finanzierungsinstituten oder Energiegenossenschaften .

Welche Anforderungen müssen Betriebe für ein Energie-Contracting erfüllen?

Welche Rolle Handwerksfirmen beim Contracting einnehmen, hängt im Wesentlichen von dem Betrieb selbst ab, seiner Größe, Ausrichtung, seiner Innovationsbereitschaft und seiner Kapitalsituation. Außerdem spielt die bisherige Kundenstruktur sowie die Größe des Immobilienportfolios des Kunden eine Rolle. Passen hier die Rahmenbedingungen, hat der Handwerksbetrieb gute Aussichten, seine Kunden durch langfristige Dienstleistungsverträge an sich zu binden .

Welche Dienstleistungen sind typisch beim Energie-Contracting?
Neben dem Monitoring und Controlling der Energieverbräuche sind typische Anwendungsbereiche des Energiespar-Contractings (ESC)
  • der Beleuchtungstausch
  • der P umpenaustausch
  • der Einbau neuer Heizungsanlagen
  • der Einbau oder die Optimierung neuer Steuerungs- und Regelungstechnik, Gebäudeleittechnik oder einer energieeffizienten Klima- und Ra umlufttechnik.
Beim Energieliefer-Contracting (ELC) versorgt der Contractor eine Liegenschaft mit der benötigten Energie und investiert selbst in eine Energieerzeugungsanlage. Der Auftrag kann neben der eigentlichen Investition, beispielsweise in eine neue Heizung, di e Lieferung von Kälte, Wärme, Strom, Druckluft oder andere Formen von Energie sein.
Welche Vorteile entstehen dem Kunden?

Der Bezug von Energie über einen Dritten hat für den Kunden den Vorteil, dass er nicht in eine Energieanlage investieren muss und das gesparte Geld anderweitig einsetzen kann. Beim Contracting ist per Definition die Effizienzsteigerung des Energiesystems immer das Ziel. Ein reiner Austausch einer Heizungsanlage, die dann über einen monatlichen Leasingbetrag abbezahlt wird, fällt nicht unter das Contracting.

War um ist das Thema Energie-Contracting durch die Umweltschutzziele der Bundesregierung jetzt noch wichtiger geworden: Was kann es beitragen?

Das Ziel, Energiedienstleistungen auszubauen und zu stärken, gibt es schon lange. Bereits im Jahr 2014 wurde dies im Rahmen des Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE 1.0) entsprechend formuliert, der 2019 nun mit NAPE 2.0 weiterentwickelt wurde: Jetzt setzt das Klimaschutzgesetz neue Maßstäbe, auch kommen von der EU im Sommer neue Anforderungen, da die Klimaschutzziele in der EU und somit zukünftig auch für die Mitgliedsstaaten, verschärft wurden. Als Beispiel sei hier auf die Europäische Gebäuderichtlinie und die Energieeffizienzrichtlinie verwiesen. In Zukunft wird es einfach nicht mehr genügen, mal die Heizung oder die Fenster auszutauschen, um die energetischen Anforderungen zu erfüllen. Insbesondere das Energiespar-Contracting bietet die Chance für umfassende Sanierungen hin zu einem 2050 kompatiblen Gebäudestandard. Außerdem hat die Corona-Pandemie eine viel größere Bedeutung für das Thema Lüftungstechnik aufgezeigt. Diese ist z um Beispiel ein Kernbestandteil von ESC-Projekten in Nichtwohngebäuden.

War um hat das Thema Energie-Contracting bisher noch nicht Einzug gehalten in die Handwerksbetriebe - wo liegen die Hürden?

Die Größe der Betriebe spielt eine Rolle, ebenso die gute Auslastung in den letzten Jahren. Die langfristige Bindung an die Kunden mit einem optimierten Betrieb oder der Überwachung von technischen Gebäudeanlagen muss in das Denken einiger Betriebe noch Einzug halten. Gleichzeitig schreckt die Komplexität von Contracting viele Betriebe ab. Seitenlange Verträge, jahrelange Vertragsbindungen, rechtliche Anforderungen, die sich zu häufig ändern oder noch nicht ideal für das Contracting sind. Hier muss und kann die Politik auch noch einen Teil dazu beitragen und mehr Informationen bereitstellen oder Stellen installieren, die den Betrieben beratend zur Seite stehen. Z um Teil sind die Landesenergieagenturen schon dabei, diese Aufgaben beispielsweise für die Kommunen als Zielgruppe für ESC zu installieren.

Welche Möglichkeiten gibt es beim ESC: Welche Protagonisten und Szenarien sind vorstellbar?

Die Kunst besteht darin, Kooperationen zwischen den Gewerken zu entwickeln. Das gilt für die energetische Gebäudesanierung im klassischen Sinn genauso wie für das Contracting. Ein Elektrik-Betrieb kann vielleicht ein P umpen- oder Beleuchtungs-Contracting anbieten, ein großer SHK-Betrieb vielleicht auch mal ein Nahwärmenetz mit entwickeln. Wenn es um die Finanzierung von Maßnahmen als zentraler Bestandteil vieler Contracting-Vorhaben geht, müssen für das Handwerker-Contracting jedoch noch neue Wege gefunden werden.

Welche Wege in Sachen Kooperation gibt es?

Kooperationen zwischen Stadtwerken und Handwerksbetrieben sind hier sinnvoll. Die Stadtwerke könnten den Kommunen Contracting anbieten. Doch weil es ihnen dabei meistens an Gebäudekompetenz fehlt, kann ein Energieberater aus dem Handwerk ein guter Kooperationspartnersein. Auch können dann gemeinsam Quartierslösungen beispielsweise auch mit Sanierungsträgern entwickelt werden. Zur Entwicklung von ESC-Projekten gibt es auch speziell geschulte ESC-Berater, deren Tätigkeit teilweise auch über das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gefördert wird. Die zentrale Frage dabei ist: Wer treibt die Projekte voran? Wer organisiert sie? Wer finanziert?

Worin sehen Sie in einem solchen Kooperationszenario die Rolle der Handwerksbetriebe?

Handwerksbetriebe können selbst als Contractoren tätig werden, sie können als Dienstleister für Contractoren oder Kommunen beratend tätig werden oder mit einer Stadt gemeinsam Quartierskonzepte entwickeln. Sie sind mit ihrem Spezialwissen gefragt, wenn es konkret wird. Wie setze ich Effizienzmaßnahmen gewerkeübergreifend so gut um, dass ich messtechnisch wirklich die Einsparungen erreiche, die ich am Schreibtisch geplant habe und dies im Rahmen einer Einspargarantie auch belegen kann? Wie überwache und steuere ich dies im Anschluss? Welche Rolle spielt hierbei die Fernüberwachung? Voraussetzung dafür ist natürlich auch, dass der Betrieb seine Hausaufgaben gemacht und seine Angebote schon ausreichend digitalisiert hat.

ESC-Modellvorhaben der dena geht in 2. Runde

Co2ntracting: build the future! geht in Kürze in die zweite Runde: Bald können sich wieder Kommunen bei der dena bewerben, um von einer kostenfreien fachlichen Begleitung bei der Umsetzung eines Energiespar-Contractings (ESC) zu profitieren .