Nachzahlungs- und Erstattungszinsen Verfassungswidrige Verzugszinsen: Steuernachzahlungen nur noch mit 1,8 Prozent jährlichem Zins!

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Das Bundesverfassungsgericht stellte 2021 klar, dass die Finanzverwaltungen Steuerschulden und Steuererstattungen bislang zu hoch verzinsten. Jetzt reagierte der Gesetzgeber: Für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen sind nun nur noch 1,8 Prozent statt sechs Prozent jährlicher Zins fällig.

Verzugszinsen
Der Zinssatz für Steuerschulden betrug fünfzig Jahre 0,5 Prozent pro Monat, 6 Prozent pro Jahr. 2022 hat der Gesetzgeber nachgebessert. - © MQ-Illustrations - stock.adobe.com

Mit zwei Beschlüssen (Aktenzeichen 1BvR 2237/14 und 1BvR 2422/17) entschied das Bundesverfassungsgericht, dass der bislang von der Finanzverwaltung angesetzte Zinssatz für Steuernachforderungen und Steuererstattungen in der Niedrigzinsphase verfassungswidrig ist. Die Richter urteilten damals, Steuerschuldner würden benachteiligt, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit von 15 Monaten festgesetzt würde, gegenüber Steuerschuldnern, deren Steuer bereits innerhalb des zinsfreien Zeitraums feststehe. Bereits der Bundesfinanzhof (Aktenzeichen IX B 21/18) hatte mit ähnlichem Ergebnis geurteilt. Hintergrund: Der Zinssatz für Steuerschulden betrug über fünfzig Jahre 0,5 Prozent pro Monat (6 Prozent pro Jahr). Der Bundesrat stimmte nun Anfang Juli 2022 der Neuregelung zu, die das Gericht gefordert hatte. Mit 1,8 Prozent pro Jahr und 0,15 Prozent pro Monat steht der neue Wert nun fest.

Gegen Ungleichbehandlung der Steuerzahler

Die Ungleichbehandlung sah das Bundesverfassungsgericht ab 2014 gegeben. Auch Erstattungszinsen in dieser Höhe zugunsten Steuerpflichtiger seien mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Die Kläger hatten moniert, dass der gesetzlich vorgegebene Zinssatz unverhältnismäßig hoch sei im Vergleich zum deutlich niedrigeren Marktzins für Geldanlagen. Zeitgleich forderte das Gericht den Gesetzgeber auf, bis 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen, die nun vorliegt und rückwirkend für alle Verzinsungszeiträume ab 2019 greifen und nicht bestandskräftige Steuerbescheide einschließen soll. Für Nachzahlungen ist das Finanzamt in der Pflicht, für Steuererstattungen muss der Steuerpflichtige entsprechend Rückzahlungen leisten. Eine Neuregelung greift nicht für Verzinsungszeiträume bis 2018, verfügten die Richter.

Verzinsung von Steuerrückzahlungen und Erstattungen

Das Bundesfinanzministerium hatte auf die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts reagiert und für alle neuen Steuerbescheide ab 2019 keine Zinsen mehr erhoben. Ein BMF-Schreiben gab entsprechende Anweisungen:

Verzinsungszeiträume bis 31. Dezember 2018:

  • Für die erstmalige Festsetzung ist das bisherige Recht (Verzinsung mit 0,5 Prozent pro Monat/sechs Prozent pro Jahr) anzuwenden. Nachzahlungs- und Erstattungszinsen ohne Vorläufigkeitsvermerk sind endgültig festzusetzen.

  • Bis dahin erfolgte Einsprüche werden als unbegründet zurückgewiesen.

Verzinsungszeiträume ab 1. Januar 2019:
Der Bund der Steuerzahler (BdSt) hatte sich dafür eingesetzt, dass sämtliche Steuerbescheide in Bezug auf die Zinsforderungen vorläufig ergehen, BMF und Finanzämter folgten dieser Forderung für Bescheide ab 2019. Steuerzahler mussten deshalb keinen Einspruch einlegen

Müssen Unternehmer jetzt aktiv werden?

Auch aktuell gibt es keinen Anlass, aktiv zu werden. Denn die Finanzämter werden nun rückwirkend Zinsen einfordern oder erstatten. Ecovis-Steuerberater Torsten Sonnenberg in Halle/Saale kommentiert: "Unternehmen müssen nach der Neuregelung mit Zinsbescheiden rechnen, da die Finanzämter nun die entsprechende Rechtsgrundlage haben." Und er fügt hinzu: "Die Bescheide sollten Sie unbedingt prüfen lassen, ob alles korrekt ist, oder ob sich das Finanzamt vielleicht verrechnet hat."

Diese Zinsen schließt die Neuregelung nicht mit ein

Die Änderung der Abgabenordnung und das Einführungsgesetz zur Abgabenordnung wurde Anfang Juli 2022 vom Bundesrat durchgewunken. Allerdings bezieht sich die Neuregelung ausschließlich auf Nachzahlungs- und Erstattungszinsen. Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge und Aussetzungszinsen hat der Gesetzgeber nicht in die neuen Regelungen aufgenommen. Weiterhin nicht erfasst sind also:

  • Stundungszinsen nach Paragraf 234 Abgabenordnung (AO)

  • HInterziehungszinsen nach Paragraf 235 AO

  • Aussetzungszinsen nach Paragraf 237 AO

Nachjustierung laut Neuregelung möglich

Die Bundessteuerberaterkammer in Berlin (BStBK) hatte im Vorfeld der gesetzlichen Umsetzung für eine Orientierung des Zinssatzes an den Kapitalmarktzinsen geworben. Der Gesetzgeber hat entschieden, die Angemessenheit der Zinssätze alle zwei Jahre unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes zu überprüfen. DIese Überprüfung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.