Schulden beim Finanzamt Steuernachzahlungen: Wie Handwerkschefs Zuschläge und Zinsen vermeiden

Zugehörige Themenseiten:
Betriebsprüfung, Bilanz, E-Rechnung, Elster und Steuerbescheid

Das Finanzamt verlangt hohe Zinsen für zu spät eingegangene Steuern. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts schob dieser Handhabe 2021 einen Riegel vor und verlangt von der Regierung eine rasche Neuregelung. Wie Handwerkschefs Zuschläge und Zinsen generell vermeiden.

Susanne Szamosi, Geschäftsführerin der Bäckerei Reitberger
Susanne Szamosi, Geschäftsführerin der Bäckerei Reitberger im niederbayerischen Passau. - © François Weinert

Als Susanne Szamosi die Bäckerei Reitberger in Passau kurzfristig wegen einer Erkrankung ihres Vaters allein führen musste, brach im Tagesgeschäft Hektik aus: „Da war so viel zu erledigen, dass ich kaum alles im Blick behalten konnte“, so die Handwerksunternehmerin. Schon früher wurden immer mal wieder Termine für die Voranmeldung verpasst. „Zuerst konnten wir unsere Erklärungen noch unkommentiert nachreichen und es war gut“, erinnert sich die Geschäftsführerin. Doch dann machte das Finanzamt Ernst. „Wir mussten einen Verspätungszuschlag zahlen, was ich verstehen konnte. Aber ich habe mich doch geärgert und wollte daher unsere Organisa­tion verbessern“, sagt Szamosi. Die Fristversäumnisse kosteten sie zwar nur einige Hundert Euro, „aber künftig will ich das unbedingt vermeiden“, so die Handwerkschefin.

„Inzwischen sind solche Versäumnisse bei uns kein Thema mehr“, meint die Geschäftsfrau. Heute setzt Szamosi auf digitalisierte Prozesse, die Bäckerei arbeitet mit einer Datev-Lösung in Koopera­tion mit dem Steuerberater. „Wir sind in der Datenverarbeitung stets aktuell, sodass Zahlungen und Meldungen fristgerecht und automatisiert erfolgen können“, sagt sie. Zum Beispiel kommen die Rechnungen der Lieferanten in der Regel elektronisch. „Andernfalls scannen wir sie umgehend ein und haben sämtliche Unterlagen digitalisiert verfügbar.“ Sie fügt hinzu: „Wir schleppen auch keine Papiere mehr zum Steuerberater, wenn die Bilanz ansteht. Mit dem Datev-Programm haben wir unsere Steuerpflichten in den Griff bekommen“, so Szamosi.

Hoher Verwaltungsaufwand für Handwerksbetriebe

Generell haben Firmenchefs zahlreiche Termine und Fristen zu beachten. Das beginnt bei der häufig monatlichen Umsatzsteuervoranmeldung, reicht über die fristgerechte Überweisung der Lohnsteuer bis hin zu den Meldungen und Zahlungen der Gewerbesteuer. Überdies ist die eigene Einkommensteuererklärung abzugeben und womöglich termingerecht noch eine Steuervoraus- oder -nachzahlung zu leisten. „Unterm Strich bedeutet das für Unternehmer einiges an Verwaltungsaufwand und guter Organisation, um keinen Termin zu verpassen“, erklärt Gerrit Ernst, Steuerberater und Geschäftsführer der S & P Steuerberatungsgesellschaft, einem Tochterunternehmen der Unternehmensgruppe HLB Schumacher. Andernfalls können Zinsen oder Zuschläge fällig werden, wenn die jeweiligen Steuerfristen nicht eingehalten werden. „Die Ermessensspielräume der Beamten sind hier in der Regel eingeschränkt, teilweise bestehen gesetz­liche Vorgaben“, sagt Ernst. Handwerksunternehmer sollten es daher nicht darauf ankommen lassen.

Geht es um Steuerzahlungen, kassiert das Finanzamt ab. Der Fiskus rechnet in vielen Fällen mit Zinssätzen von sechs Prozent im Jahr. „Das Bundesverfassungsgericht hat das in einem Urteil zuletzt moniert. Deshalb muss die neue Regierung bis zum Sommer nachbessern“, sagt Ernst. Bisher mussten Unternehmer diese sechs Prozent bezahlen, wenn sie zum Beispiel nach einer Betriebsprüfung mit Nachzahlungen konfrontiert waren. Mit dem Urteil (Aktenzeichen: 2 BvR 2237/14; 1 bvR 2422/17) wurde dies ausgesetzt.

Im Gegenzug erhalten Steuerzahler nach dem Urteil auch keine sechs Prozent Zins per anno mehr, wenn das Finanzamt zu viel gezahlte Beträge erstatten muss. Man muss noch wissen: Solche Zinsen fallen prinzipiell erst an, wenn die Steuerfestsetzung mehr als 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres zurückliegt. Die Richter argumentieren so: „Die Verzinsung von Steuernachforderungen mit monatlich einem Zinssatz von 0,5 Prozent nach Ablauf einer zinsfreien Karenzzeit von grundsätzlich 15 Monaten stellt eine Ungleichbehandlung von Steuerschuldnern dar, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit festgesetzt wird, gegenüber Steuerschuldnern, deren Steuer bereits innerhalb der Karenzzeit endgültig feststeht.“

Zinshöhe: Wie geht es weiter?

Die Richter des Bundesverfassungs­gerichts machten eindeutige Vorgaben: Die Ampel-Regierung muss demnach bis Ende Juli 2022 eine verfassungskonforme Lösung auf den Tisch bringen. Diese wird allerdings nur die Jahre ab 2019 betreffen und auch nicht jegliche Art von Steuerzinsen abdecken. Die Richter haben klargestellt, dass erst mit der anhaltenden Niedrigzinsphase ab 2014 von zu hohen Zinsen auszugehen ist. Davor waren die 0,5 Prozent pro Monat bzw. sechs Prozent im Jahr noch marktgerecht. Für die Jahre zwischen 2014 und 2018 gehen die obersten Richter davon aus, dass die 0,5 Prozent Zinsen nicht verfassungskonform sind. Dennoch wird es für diese Zeit keine Änderungen geben, was Steuerexperten kritisieren.

Wer ist betroffen?

Bis die Neuregelung gefunden ist, greift ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 17. September 2021 (Aktenzeichen: IV A 3 – S 0338/19/10004: 005). Hier steht, dass sowohl die festgesetzten Nachforderungs- als auch die festgesetzten Erstattungszinsen für die Zeiträume ab 2019 ausgesetzt werden. Entsprechend müssen die betroffenen Steuerzahler keine Nachforderungszinsen mehr auf Steuernachzahlungen leisten. „Die Regelung gilt ausdrücklich nicht für die Aussetzung anderer steuerlicher Zinsen wie etwa Stundungs-, Hinterziehungs- oder Prozesszinsen“, erklärt Erich Nöll, Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Bundesverbandes Lohnsteuerhilfevereine in Berlin. Er weist darauf hin, dass „der Einspruch gegen eine Aussetzung der festgesetzten Erstattungs­zinsen nicht lohnt, weil der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen wird.“

Die Bundesregierung brachte im März 2022 einen Gesetzentwurf ein, wonach der Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen für alle offenen Fälle ab 1. Januar 2019 nur noch 0,15 Prozent beträgt. Die kommende Neuregelung betrifft jene Unternehmer und Steuerzahler, deren Nachzahlungs- oder Erstattungszinsen noch nicht bestandskräftig sind. Alle Bescheide seit 2019 müssen geändert werden, bestätigt der Bund der Steuerzahler: „Wir hatten uns frühzeitig dafür eingesetzt, dass sämtliche Steuerbescheide hinsichtlich der Verzinsung vorläufig ergehen und damit nicht bestandskräftig werden“, so Daniela Karbe-Geßler, Leiterin der Steuerabteilung beim Bund der Steuerzahler. Sobald klar ist, wie die Neuregelung aussehen wird, regeln die Finanzämter dies von sich aus. „Insofern können betroffene Unternehmer in dieser Sache einfach abwarten“, so Ernst.

Ämter agieren unterschiedlich

Steuerberater Ernst gibt den Rat, bei Pro­blemen unverzüglich Bescheid zu geben. „Unternehmer sollten ihr Finanzamt im Vorfeld informieren, falls sie einen Termin nicht halten können“, sagt er. Zum Beispiel, wenn sie aufgrund einer Krankheit – wie im Fall der Unternehmerin Szamosi – in der Geschäftsführung nicht klarkommen. „Dann kann in der Regel eine Verlängerung vereinbart und auf einen Verspätungszuschlag verzichtet werden“, erklärt Ernst.

Die Gangart der Finanzämter unterscheide sich allerdings. „Wir beobachten, dass in den einzelnen Bundesländern die Spielräume enger oder weiter interpretiert werden“, erklärt auch Bernd Sandtner, geschäftsführender Partner der Steuerberatungsgesellschaft HSP Steuer im bayerischen Berching. Er empfiehlt Unternehmern, den Grund ihres Versäumnisses zu erläutern und offen mit dem Sachbearbeiter zu sprechen. „Wir haben schon erreicht, dass Zuschläge wieder zurückgenommen wurden“, so Sandtner. Auch das Gegenteil musste er hinnehmen. „Unseren Mandanten empfehlen wir zur Sicherheit, das Lastschriftverfahren bei ihren Steuerzahlungen zu nutzen. Das Finanzamt bucht dann am letzten Tag automatisch ab“, so Sandtner. Für Steuerzahlungen gewährt der Fiskus in der Regel keinen Aufschub. „Das ist gesetzliche Vorgabe“, erläutert Ernst. Bei einer Nachzahlung steht im Steuerbescheid immer der Zahlungstermin – oft mit einer recht langen Frist von mehreren Wochen. „Bis zum genannten Tag sollte der offene Betrag überwiesen werden, sonst fallen Säumniszuschläge an. Und diese sind hoch“, warnt Ernst. Pro angefangenem Monat belaufen sie sich auf ein Prozent des rückständigen Steuerbetrags. Fristverlängerung oder Stundung dürfte in der Regel kaum möglich sein. „Der Unternehmer müsste sich nachweisbar in einer schweren, existenziellen Notlage befinden und schon alles versucht haben, um rechtzeitig überweisen zu können“, so Ernst. Selbst in der aktuellen Corona-Krise bleibt der Fiskus im Fall von Steuerstundungen hart.

Großzügiger bei Voranmeldungen

Mit einfachen Steuervoranmeldungen zeigt sich das Finanzamt großzügiger. Steuerberater Ernst beantragt für seine mittelständischen Mandanten zum Beispiel für die Umsatzsteuervoranmeldung häufiger eine Dauerfristverlängerung. „Damit erzielt der Unternehmer einen Monat Aufschub – und zwar über das ganze Jahr“, so Ernst. Dafür gibt es auf Elster.de ein Formular. „Das füllen wir aus und senden es elektronisch an das jeweilige ­Finanzamt. Eine Fristverlängerung wird in der Regel schnell bewilligt“, meint Ernst. Nachteil: Der Fiskus kassiert bei monatlichen Meldungen eine Sondervorauszahlung. Diese beträgt ein Elftel der Umsatzsteuervorauszahlungen des Vorjahres.

Pflichtbefreiung bei kleiner Steuer

Sandtner weist darauf hin: „Beträgt die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 1.000 Euro, kann das Finanzamt den Unternehmer von der Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldungen und Entrichtung der Vorauszahlungen befreien.“ Wenn man also im Vorjahr in Summe nicht mehr als 1.000 Euro gezahlt hat, braucht man keine Voranmeldung mehr abzugeben. Das könnte etwa bei kleinen Unternehmen der Fall sein oder aber, falls im Vorjahr größere Investitionen getätigt wurden und die auf dieser Basis geltend gemachte Vorsteuer zu einer geringeren Steuerzahlung geführt hat.

Termine, Fristen, Verlängerung: Spielräume bleiben

Unternehmer haben jeden Monat eine ganze Reihe steuerlicher Vorgaben zu erfüllen – ­zumeist Meldungen oder pünktliche Steuerzahlungen an das FInanzamt. Was Sie als Chef dabei beachten müssen und an welchen Stellen Ihnen Spielräume bleiben.

Umsatzsteuer-Voranmeldung: Je nach Betriebsgröße bzw. Höhe des Umsatzes erfolgen die Voranmeldungen via Elster.de online monatlich oder vierteljährlich. Die Frist kann auf Antrag um einen Monat verlängert werden. Der Antrag erfolgt elektronisch via Formular. Das Finanzamt kann ablehnen. Ansonsten wird kein gesonderter Bewilligungsbescheid erfolgen. „Die Sondervorauszahlung ist bis zum 10. des Monats anzumelden und zu entrichten, der auf den Monat folgt, für den die Fristverlängerung erstmalig gelten soll“, erklärt das Service-Portal Berlin.de. „Während der Geltungsdauer ist die Sondervorauszahlung jeweils jährlich bis zum 10. Februar anzumelden und zu entrichten.“

Einkommensteuererklärung: Die Frist endet in der Regel zum 31. Juli des Folgejahres, mit Steuerberater jeweils verlängert bis Ende Februar des übernächsten Jahres. Die Erklärung 2020 kann bis 31. Mai 2022 erfolgen, ausnahmsweise wegen Corona. Gegebenenfalls ist ein Verspätungszuschlag zu zahlen, der automatisch erhoben wird. Bei Einkommen-, Körperschaft- oder Gewerbesteuererklärung sind es 0,25 Prozent der festgesetzten Steuer, abzüglich der Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträge. Maximal sind es 25.000 Euro, mindestens 25 Euro im Monat. Das betrifft jene, die Steuern nachzahlen.

Säumniszuschläge: Möglicherweise können Unternehmer einen Antrag auf Erlass der Säumniszuschläge stellen, wenn sie einmalig ihren Steuerpflichten nicht nachgekommen sind. Wenn der Handwerkschef zum Beispiel schwer erkrankt war oder falls andere Besonderheiten ihn gehindert haben, akzeptiert das der Fiskus.

Einspruch: Die Frist beträgt einen Monat nach Bekanntgabe eines Steuerbescheides – sie beginnt also in der Regel drei Tage nach dem Datum des Poststempels. Dies ist ein Ausschlusstermin.