Betriebsübergabe Nachfolger-Suche: Mit digitalen Technologien attraktiv für die Übergabe

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Prozesse strukturieren, mit Technologien und neuen ­Geschäftsfeldern spielen: Wer sein Lebenswerk an einen Nachfolger übergeben will, sollte schleunigst seine digitalen Hausaufgaben machen. Denn so stellen Betriebsinhaber ihre Firma attraktiv auf – nach innen und nach außen.

Michael Rappenhöner, Michael Montag u Kinder
Michael Rappenhöner und Michael Montag (o. re.), Inhaber von Montag & Rappenhöner, haben ihre Kinder Christian Montag sowie Saskia und Kai Rappenhöner (u. re.) als Nachfolger im Betrieb eingesetzt. - © Rudolf Wichert

Michael Montag hat seinen Haustechnik-Betrieb aus eigener Kraft aufgebaut. In der heimischen Garage seiner Eltern in Bergisch Gladbach gründete er ihn vor fast 40 Jahren. Dass der Gas- und Wasserinstallateur-Meister heute knapp 70 Mitarbeiter beschäftigt, schreibt er seiner Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem zu. „Ich hole gerne junge Leute in den Betrieb und gebe ihnen Verantwortung“, sagt er. Die größte Aufgabe hat er an seinen Sohn Christian übertragen: Der 37-Jährige soll das Lebenswerk des Vaters weiterführen. Doch nicht allein: Saskia und Kai Rappenhöner, Kinder von Michael Rappenhöner, der Mitte der 90er-Jahre vom einstigen Gesellen von Montag zum heutigen Co-Inhaber gemacht wurde, helfen dabei, den Betrieb Montag & Rappenhöner in eine neue Ära zu führen.

Viele Betriebe ohne Nachfolger

Drei designierte Nachfolger für einen Betrieb – in so einer komfortablen Situation befinden sich nicht viele Betriebsinhaber. Von den gut 500.000 kleinen und mittleren Firmen, darunter auch viele Handwerksbetriebe, die in Deutschland von 2017 bis einschließlich diesem Jahr nach einem Übernahmewilligen suchen, haben nicht alle Glück: Laut Angaben des Peter-Hertweck-Nachfolge-Forums werden weit mehr als ein Drittel leer ausgehen. Immer weniger junge Familienmitglieder sind bereit, in die Fußstapfen der Elterngeneration zu treten. Die Alterna­tive, einen externen Käufer zu finden, gestaltet sich ebenfalls schwierig. Der Grund liegt häufig darin, dass es diese Unternehmen versäumt haben, ihre Geschäftsmodelle der Zeit anzupassen, um sich für die nachfolgende Generation attraktiv aufzustellen. Wie das geht, zeigte das Forum vergangenen Oktober in Baden-Baden: Zukunftstechnologien wie Machine Learning, Künstliche Intelligenz sowie Augmented Reality standen dort im Mittelpunkt.

In Bergisch Gladbach arbeitet Christian Montag mit seinem Team ebenfalls daran, den Betrieb über digitale Tools effizienter aufzustellen. Profitieren davon sollen die Mitarbeiter, aber auch Nachwuchskräfte, die in die vernetzte Welt samt Handy und YouTube hineingeboren wurden, sowie letztlich auch die Kunden. Das Augenmerk legt Montag & Rappenhöner zunächst auf die Digitalisierung der Prozesse. „Darin sehen wir die größten, direkt greifbaren Vorteile für uns“, berichtet der Juniorchef. Bereits vor Jahren fing der Betrieb an, die Hand­werker-Software Label für Auftragsabwicklung und Baustellen-Dokumentation zu installieren, und stattete seine Mitarbeiter jüngst auch mit mobilen Apps und Tablets aus. Eine große Arbeitserleichterung: „Anstatt Abend für Abend auf die Tagesberichte zu warten, erhalten wir nun alle Informationen von unseren Mitarbeitern direkt von der Baustelle – von der Materialbestellung bis hin zur Fotodokumentation einzelner Arbeiten“, beschreibt Montag. „Das hat unsere Abläufe in der Firma extrem vereinfacht und beschleunigt.“ Für die Abstimmung untereinander nutzt das Haustechnik-Team zusätzlich WhatsApp-Gruppen sowie E-Mails, weniger das Telefon. Für die Kommunikation mit den Kunden kommen außerdem junge Social-Media-Kanäle wie Instagram hinzu. „Darüber zeigen wir interne Events und Erlebnisse der Außenwelt“, erklärt er. Solche stimmungsvollen Bilder ziehen letztlich auch junge Nachwuchskräfte an.

Junge Mitarbeiter gestalten lassen

Während der Sohn des Betriebsgründers, der einen Meister in Anlagenmechanik hat, vor allem die Mitarbeiter führt, sich um den Kundendienst kümmert und neue Geschäftsfelder erschließt, übernimmt Saskia Rappenhöner die kaufmännische Leitung und die Prozessoptimierung. Ihr Bruder Kai, der derzeit noch die Meisterschule in Anlagenmechanik absolviert, ist jetzt schon auf den Baustellen mit unterwegs, um die Abläufe kennenzulernen. Michael Montag und Michael Rappenhöner freuen sich über die tatkräftige Unterstützung ihrer jungen Nachfolger. „Alleine ist so ein großer Betrieb nicht zu managen“, meint Rappenhöner. Dass die Chefs die Betriebsüber­gabe schon früh eingeleitet haben, verdanken sie auch Michael Rheindorf, Geschäftsführer der Unternehmensberatungsgesellschaft Bauplus, der ihnen bei kniffeligen Fragen rund um die Nachfolge zur Seite steht, aber auch darin, wie sie junge Mitarbeiter führen. Die Handwerkschefs wissen deshalb, wie sie für Mitbestimmung und Transparenz sorgen und dabei ihre Verantwortung teilen: „Die Mitarbeiter wollen das Unternehmen auch mit­entwickeln, ihre Ideen einbringen und merken, dass der Chef sie ernst nimmt“, sagt Montag. In starren Hierarchien zu denken ist dabei hinderlich. „Wir müssen die Jungen mit ihrem Enthusiasmus die Zukunft mitgestalten lassen“, stimmt Rappenhöner zu. Bei der Digitalisierung verhält es sich genauso: Für die beiden Handwerkschefs besteht diese nicht zuvorderst aus dem Einkauf von Technologie. „Sie geht auf eine offene Haltung zurück, die unsere Unternehmenskultur prägt.“

Was so einfach klingt, ist für viele nur schwer zu meistern. „Den eigenen Betrieb an die Kinder zu übergeben gelingt immer seltener“, urteilt Ralf Baumeister, Geschäftsführer bei Stabwechsel, einer Matching-Plattform, die Verkäufer und Käufer nach bestimmten Kriterien zusammenführt. „Wenn Kinder über die Jahre beobachten, wie sehr ihre Eltern in der Firma eingespannt waren, haben sie oft selbst keine Lust mehr auf die harte Arbeit“, schildert er. Wer seinen Sprösslingen dagegen vorlebe, wie er sich die Arbeit vereinfachen kann, wenn digitale Tools zum Einsatz kommen, habe dagegen bessere Chancen – auch bei Käufern. Betriebe ab zehn Mitarbeitern und mehr tun sich den Erfahrungen des Experten zufolge bei der Nachfolgesuche auf dem Markt tendenziell leichter. Schwieriger ist es bei solchen, die wenige Mitarbeiter haben und bei denen daher der Inhaber alle Strippen in der Hand hält. „Wenn der Chef geht, nimmt er das gesamte Wissen mit“, erklärt Baumeister. Zumal solche Kleinbetriebe häufig wenig dafür getan haben, Informationen zen­tral zu teilen und zugänglich zu machen.

Der Chef muss sein wissen teilen

Der Stabwechsel-Chef rät diesen Betrieben zu zwei Wegen: Zum einen können sie sich schon frühzeitig einen Nachfolger an die Seite holen. Das kann entweder ein Mitarbeiter oder ein externer Interessent sein. Zum anderen können sie beizeiten dafür sorgen, dass Prozesse etabliert und digitalisiert sind – so wie das die Familien Montag und Rappenhöner derzeit gemeinsam bewerkstelligen. „Das geteilte Wissen, das in strukturierter Form zur Verfügung steht, ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass ein Unternehmen übergeben werden kann“, sagt Baumeister.

Unter seinen Klienten berät er momentan eine Firma mit vier Gesellen, die „sehr gute Erträge“ erziele. „Alles läuft reibungslos“, betont der Experte. Doch gibt es ein großes Problem: Der Betrieb ist ausschließlich auf den Chef zugeschnitten. Bei der Suche nach einem Nachfolger geht es daher zunächst da­rum, die Wissenshoheit aufzubrechen und die Informationen für weitere Mitarbeiter transparent zu machen. Das gelingt, indem einzelne Prozesse erfasst und von analog auf digital umgestellt werden: vom Einkauf bis hin zu den wertvollen Kundenbeziehungen, ohne die der Betrieb an Wert verliert. Das hilft, dass der Kaufpreis nicht gedrückt wird. Für diesen nötigen Schritt der Prozess-Digitalisierung veranschlagt der Experte gut zwei Jahre. „Der Inhaber muss zudem dafür sorgen, dass alle Gesellen eingebunden werden und sich mit den Abläufen im Betrieb auskennen“, sagt er. Das hat den Vorteil, dass der Chef nicht ständig präsent sein muss, damit die Geschäfte laufen. „Dann kann er auch mal in den Urlaub gehen, weil er weiß, dass Angebote, Rechnungen und Monatsabschlüsse auch ohne ihn erstellt werden können“, zeigt Baumeister auf. Allein eine solche Errungenschaft, die das Herrschaftswissen auf mehrere Köpfe verteilt, steigere die Attraktivität für einen Nachfolger beträchtlich: „Ein potenzieller Käufer muss nicht alles fix und fertig erhalten, aber eine solide Basis vorfinden, auf der er aufbauen kann.“

Regierung stellt die Weichen

Wenn darüber hinaus noch andere Zukunftsaufgaben in Angriff genommen sind, ist das ein weiteres Plus. In einem Elektrotechnik-Betrieb sollten sich die Mitarbeiter beispielsweise mit E-Lade­säulen und Photovoltaik auseinandersetzen sowie sich auf dem Gebiet der Smart-Home-Technologie auskennen. „Die Regierung legt in den nächsten Jahren ihr Augenmerk darauf und schreibt Förderungen aus, die Betriebe und ihre Mitarbeiter kennen sollten“, sagt Baumeister. Bei den Kunden sorgt es für Zuspruch, wenn die Handwerker nicht mit einem Schreibblock vor Ort erscheinen, sondern mit einem Tablet. Megatrends wie Künstliche Intelligenz, über die auf dem Peter-Hertweck-Nachfolge-Forum viel die Rede war, ist für den Stabwechsel-Geschäftsführer noch zu weit von der Realität der Betriebe entfernt. Besser sei es dagegen, die eigene Website zu launchen, zu pflegen und mit Zusatzfunktionen wie Online-Termin-Kalendern zu bestücken, die beim Kunden heute über alle Branchen hinweg zum Muss werden.

Wie es gelingt, seine Firma entlang der Kundenwünsche weiterzuentwickeln, zeigte Sarna Röser auf dem Nachfolge-Forum im Oktober. Röser vertritt als Bundesvorsitzende des Verbands „Die jungen Unternehmer“ die Interessen junger Nachfolger und Unternehmenslenker und ist selbst designierte Nachfolgerin des Familienunternehmens Zementrohr- und Betonwerke Karl Röser & Sohn im baden-württembergischen Mundelsheim. Somit hat sie sich mit der Frage, was sich nachfolgende Generationen von einem Unternehmen wünschen, intensiv beschäftigt – und kann auch fürs Handwerk sprechen. „Im Fokus junger Menschen stehen heute die Themen Nachhaltigkeit und Umwelt ganz oben an“, weiß die 34-Jährige, deren Urgroßvater die Firma vor knapp 100 Jahren gegründet hat. In vielen Gesprächen werde ihr vorgeworfen, berichtete sie auf dem Kongress in Baden-Baden, dass bei der Zementherstellung viel klimaschädliches CO2 produziert werde. Über innovative Ideen und Technologien verspricht Röser nun, Lösungen zu entwickeln, die eine umweltgerechtere Produktion ermöglichen und das Familienunternehmen nach vorne bringen sollen.

Altbewährtes kann sinnvoll sein

Doch nicht alles will die Nachfolge-Chefin in spe dabei auf den Prüfstand stellen. Als sie mit Anfang 20 ihr BWL-Studium beendet hatte, wollte sie in der Firma erst mal alles umdrehen und digitalisieren. Ihr Vater, der das Unternehmen aktuell leitet, beschwichtigte seine Tochter damals und lehrte sie über die Jahre zuzuhören und seine Vorgehensweise zu verstehen. Die künftige Nachfolgerin erkannte: Viele Prozesse sind doch sehr sinnvoll. Für Röser geht es nun darum, Altbewährtes zu belassen und mit neuen Impulsen anzureichern.

Genauso versteht auch Christian Montag seinen Job als Juniorchef: „Wir halten die Augen ständig offen nach neuen digitalen Lösungen, die uns bei der Arbeit zur Hand gehen.“ Auf der Agenda stehen aber auch vielversprechende Geschäftsfelder: So setzt Montag & Rappenhöner neben dem Brot-und-Butter-Geschäft auch auf neue alternative Energiequellen.

Nachfolgesuche: Wie die ­Digitalisierung hilft

Einen Handwerksbetrieb zu führen kann für den Inhaber schwere Arbeit bedeuten, die nur wenig freie Tage zulässt. Das wirkt auf junge Familiennachfolger oder Käufer abschreckend. Der Ausweg liegt darin, die Prozesse im Betrieb zu modernisieren.

  1. Das Wichtigste ist es, die Wissenshoheit des Betriebschefs in einzelne Prozesse zu gliedern und digital sichtbar und zugänglich zu machen. So gelingt nicht nur eine reibungslose Übergabe an einen Nachfolger, sondern auch die Arbeitskonditionen verbessern sich.
  2. Wer sich mit neuen Technologien von Augmented Reality bis hin zu Künstlicher Intelligenz beschäftigt und sie im Betrieb sinnvoll implementiert, signalisiert nach innen und nach außen Offenheit und Fortschrittlichkeit.
  3. Digitalisierung meint nicht nur den Einkauf von Software, sondern ist letztlich eine Haltung. Der Betriebschef muss bereit dazu sein, sein Wissen zu teilen, Informationen transparent zu machen sowie Verantwortung abzugeben und sie auf mehrere Köpfe zu übertragen. Wenn Mitarbeiter die Geschicke des Betriebs mitgestalten können, fühlen sie sich stärker eingebunden.